Chronik des Bergbaus in Ragewitz
Ansicht auf Ragewitz
Weithin grüßt der ehemalige Förderturm des Ragewitzer Braunkohlenwerks ins Land. An klaren Tagen bis nach Leipzig. Braunkohle eine Energiequelle, die bis heute noch Bedeutung für uns hat. Besonders in der Leipziger Tieflandsbucht südlich von Leipzig und in der Lausitz.
Was ist Braunkohle? Wir leben heute hier in einer gemäßigten Klimazone mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Begrenzt von den Polen im Norden und Süden und der tropischen Zone am Äquator. Aber unsere Erde ist sehr alt und mächtige Umwandlungen haben stattgefunden. Auch heute ist sie noch nicht zur Ruhe gekommen. Ich erinnere nur an Erdbeben und Vulkanausbrüche. Vor Zweihundertmillionen Jahren, im sogenannten Tertiär sah unsere Landschaft anders aus: Mächtige subtropische Wälder mit Palmen und Farnen wuchsen. Aber das Klima änderte sich, das Eis breitete sich von dem Nordpol aus und schob mächtige Gesteins- und Sandmengen vor sich her. Die Wälder wurden niedergewalzt und zugeschüttet. Das Eis zog sich zurück und das Land wurde durch das Meer überflutet. Aus den verschütteten Palmen und Farnen entwich der Sauerstoff und der Kohlenstoff blieb und die Inkohlung ging vor sich. Wenn man die Mächtigkeit der Kohle südlich von Leipzig ansieht, erkennt man auch, welche ungeheuren Umwandlungen stattgefunden haben.
Nun zunächst etwas Personelles:
Am Ende des Dorfes, etwas außerhalb gelegen, ist allen Ansässigen der Begriff die „Villa“ bekannt. Was heute vier Häuser mit Zäunen dazwischen sind, war einst ein großes Gut, das August Schippan gehörte. Dieser Mann war aber sehr aufmerksam und erkannte den Wert der Braunkohleförderung und übernahm die von einem gewissen Ulbricht 1865 gegründete Ziegelei.Er nannte die Werke (Ziegelei- und Braunkohlenförderung) nach seiner Tochter “Aline”. Die geförderte Kohle aus dem Tagebau reichte bald kaum noch aus und man ging zusätzlich zum Tiefbau über. Hinter der Villa und unter dem Papsdorfer Weg wurden Stollen eingetrieben, um Kohle zufördern.
Aber auch das konnte noch nicht die Nachfrage befriedigen und der Transport aus dem Tal war auch zu schwierig und man suchte an anderer Stelle nach evtl. Vorkommen. Man setzte Bohrungen an und fand tatsächlich an der Stelle, wo dann die Grube “Flora” (benannt nach der 2. Tochter) entstand, ein Kohleflöz mit einer Mächtigkeit von 8m vor. Damit begann das uns bekannte Werk auf dem Berg in Richtung Prösitz mit der größeren Förderung. Hier war von Anfang an Tiefbau vorgesehen. Die Sohle reichte bis in eine Tiefe von 25m. Wie sah es im Schacht aus? Der Einstieg erfolgte über Leitern. Sechs bis sieben Fahrten in einem Turm. Die einzelnen Leitern waren durch Podeste unterbrochen. Der erste hölzerne Förderturm war einem Brand zum Opfer gefallen. Danach wurde der gemauerte Förderturm gebaut. In seinem Inneren waren zwei parallel im Gegenlauf arbeitende Fördereinrichtungen, die nur der Kohleförderung dienten. In der Grube wurde ein beladener Hunt² auf die Förderschale geschoben und auf der oben befindlichen Schale ein leerer Hunt². Durch Klingelzeichen wurde der Maschinist informiert und der volle Hunt² ging nach oben und der leere kam in den Schacht.
Der Hauptstollen war gemauert, die Nebenstollen 1,80m hoch und 2m breit mit Stempeln versehen. Sie wurden bis dahin getrieben, wo die etwa 4m hoch liegende Kohle abgebaut werden sollte.
Mit einer schmalen Breithacke wurde die Kohle abgehackt und mit einer Schaufel in die Hunte² geladen, welche auf Schienen liefen.
Hacke, Schaufel und das Gezehe waren Eigentum der Bergleute, für das sie ein Entgeld erhielten. Zur Beleuchtung diente eine Öllampe. Später ab 1914 eine Karbidleuchte. Außerdem gab es noch zwei Luftschächte. Die Bergleute mussten ihren Hunt² von der Abbaustelle bis zum Förderschacht selbst schieben. Später wurde ein Pony angeschafft und im weiteren wurde der Transport elektrifiziert.
Der Abbau erfolgte in sogenannten Brüchen von 6 x 6m und 4m Höhe. Zuerst wurde ein kleiner Raum nach oben geschlagen, bis die Kohledecke fast zu Ende war. Dann wurde die Decke mit Stempeln abgestützt. Danach konnte die Kohle von oben herab losgehackt werden. Zuletzt brach die Kohle von selbst herunter. Das war dann aber gefährlich, denn wenn der Bruch ging (er endgültig zusammenbrach) bestand die Gefahr, dass der Häuer¹ verschüttet wurde.
Die Gefahr war in Ragewitz besonders groß, da das Deckgebirge vorwiegend aus Sand bestand. Die Bergleute hatten aber ihre Erfahrungen. Der Obersteiger war dann oft dabei, wenn ein Bruch ging und warnte die Häuer¹. Schutzhelme hatten anfangs die Bergleute nicht. Sie trugen einen ausgedienten Sonntagshut. An der Krempe wurde mit Hilfe eines Nagels die Lampe angehängt. Außerdem konnten sie mit einem Spieß die Lampe in die Kohlenwand stecken. Wenn der Bruch gegangen war, musste er zwei bis drei Wochen ruhen, ehe daneben der nächste Bruch geschlagen werden konnte.
Ein neues Problem, das auch das Dorf betraf, trat ein. Die Grube musste entwässert werden. Dadurch versiegten die Brunnen im Ort. Vielfach waren diese Brunnen in den Kellern. Das nun in der Grube abgepumpte Wasser floss im Graben neben der Straße auf der Friedhofseite nach unten in Abflüsse, wurde unter der Straße durchgeleitet und floss in einen Graben (der den Dorfplatz hinter dem Gut Köpping teilte) weiter in Richtung Pöhsig nach Kössern in die Mulde. Für das Wasser des Dorfes musste eine neue Leitung aus der Aline mit Hochbehälter an der Villa angelegt werden. 1953 wurde schließlich eine Wasserleitung von Prösitz Melissschenke gebaut.
Arbeitszeit von 6:00 Uhr bis 17:30 Uhr. Bezahlung nach Hunten². Die Zählung erfolgte mit Vierkannthölzern mit römischen Zahlen, die der Häuer¹ auf seinen Hunt² legte und der Abzieher in das Fach des Häuers¹. Die Kontrolle der Einfahrt und Ausfahrt aus dem Einstiegsschacht erfolgte mit einer Blechmarke des Bergmanns. Die Bergleute kamen aus der Umgebung und hatten oft einen weiten Weg. Während des Krieges waren auch Kriegsgefangene beschäftigt. Nach dem Krieg fanden viele Flüchtlinge Arbeit. Die Sozialmaßnahmen waren am Anfang sehr gering: keine Wasch- und Umziehmöglichkeiten, essen im Schacht (selbst mitgebracht). In der dunklen Jahreszeit passierte es oft, dass die Bergleute das Tageslicht nicht zu sehen bekamen. Später wurden aber die Arbeits- und Sozialbedingungen verbessert.
Es war Bedarf da, z.B. für die Fabrik in Golzern und für den Hausbrand bis in 10km Umkreis liegender Orte. Im Jahr 1929 waren die Tagebaue um Leipzig eingefroren und dann ging Kohle z.T. bis Leipzig. Es wurde viel Klarkohle gefördert, die als Torfziegel geformt und getrocknet wurden. Später wurde eine Maschinenpresse verwendet und jedes Jahr mehrere Millionen Nasspresssteine hergestellt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kohle der Grube Flora noch einmal dringend benötigt, da die großen Tagebaue durch die im Krieg entstandenen Verwüstungen nicht ergiebig fördern konnten. Im Zusammenhang entwickelte sich die Technik erheblich. Insbesondere die Kraftzentrale (Kessel- und Maschinenhaus): 3 Dampfmaschinen, eine große Nasssteinpresse 120 PS. Das Schwungrad der Riemenscheibe hatte einen Durchmesser von 5m. Die Fördermaschine hatte zwei Seiltrommeln, von denen zwei Stahlseile (65m lang, 20mm stark, 110kg schwer) zum Förderturm zu den schon erwähnten Förderschalen liefen.
Von der Maschine wurde ein Schüttelsieb (Fege) im Förderturm zur Trennung von Klarkohle, Knorpelkohle und Füllkohle in Silos angetrieben. Der Maschinist hatte keinen direkten Einblick in die Fördereinrichtung im Förderturm. Der Hunt² wurde aus der Förderschale geschoben und mit einer Seilglocke zum Abzieher gemeldet. Der schob den leeren Hunt² auf die andere Förderschale und gab ein Zeichen an das Maschinenhaus. Der Maschinist setzte die Fördermaschine in Gang. An der Wand hatte er zwei Gewichtsstücke, die von der Maschine mit angetrieben worden. So konnte er erkennen, wo sich die Förderschalen jederzeit befanden.
Vom Maschinenhaus wurden auch die Geräte zur Herstellung der Torfziegel angetrieben. Auch hier war ein Fortschritt zu sehen: die Klarkohle wurde im Sommer von der Halde zur Presse befördert und mit Wasser vermengt, es entstand ein endloser Strang. Ein Arbeiter schnitt mit Stahldrähten 3 Presssteine ab. Es war sehr schwere Arbeit. Die Ablösung erfolgte stündlich. Später 1930 gab es einen dampfgetriebenen Abschneider. Die Presssteine wurden auf Bretter gesetzt und zum Trocknen gefahren. 1938 kam noch eine Brikettpresse dazu. Auch gab es nun Werkstätten: Schlosserei, Zimmerei, Elektriker, Fuhrpark, Sozialräume, Küche und Speiseräume. Der Absatz war unterschiedlich. Das Werk konnte während der Weltwirtschaftskrise nicht von den Erben des Gründers erhalten werden. Da sprangen Ragewitzer Geschäftsleute, Arbeiter und Angestellte des Werkes als GmbH ein.
Einige Fakten:
1936 Verkauf an Hans Krause mit Einbußen
1942 Eigentümer Dr. Horst Hesse
1945 Treuhand (Nochmals erhöhte Produktion)
1947 VEB
1949 Sozialräume ( Küche, Waschräume, Kauet, Bad, Toiletten, Garderoben, Sanitärräume)
1950 Hammermühle
1952 Elektrische Grubenlokomotive (Generator)
1956 Einstellung des Abbaus
bis 1963 Versuchsstrecke Freiberg. Es wurden Explosionsversuche für explosionsgeschützte Geräte durchgeführt, d.h. exgeschützte Geräte dürfen bei ein- und ausschalten keine Luftgasgemische zur Explosion bringen. Anschließend wurden die Strecken verfüllt (Asche). Der Schornstein abgebrochen, das Maschinenhaus abgerissen, die Kessel ausgebaut.
Später wurde der Förderturm von der LPG übernommen, als Trockensilo für Getreide und Futteraufbereitung durch Schroten, ebenfalls die Werkstatt und andere Gebäude zum Unterstellen von Maschinen. Das gesamte Areal ist heute in Privathand und befindet sich in einem äußerst desolaten Zustand.
Bericht 1938
Grube Flora Ragewitz 1937
2 Angestellte, 13 Untertage, 22 Übertage; Gesamt 37 Beschäftigte
Produktion 14.370 Tonnen, 3.364 Tonnen Nasspresssteine
50.357 RM Geldwert für Kohle
43,732 RM Geldwert für Nasspresssteine
Weitere Zahlen zur Produktion:
Rohkohleförderung
1941 1945 Steigerung von 18.000t auf 20.000t im Jahre
1945 – 1956 Steigerung von 20.000 auf 30.000t im Jahre
1939 – 1947 MonatsProduktion 150t = 1800t Im Jahre
1948 – 1955 8500t im Jahre
Löhne:
1946 Stundenlohn Häuer¹ 0,53 M
Fördermann³ 0,48 M
1953 Stundenlohn Häuer¹ 2,18 M
Leistungslohn Häuer¹ 2,51 M
Stundenlohn Fördermann³ 1,48 M
Leistungslohn Fördermann³ 1,70 M
Außerdem wurden zum Leistungsgrundlohn die jeweiligen Prozente zugeschlagen, sodass der Häuer¹ etwa auf 3,00 M/Stunde kam.
Mannschaftsbestände:
Bis 1942 24 – 25 Mann
Bis 1945 45 – 50 Mann (Kriegsgefangene)
Bis 1948 68 Mann (darunter 8 Angestellte)
Bis 1951 63 Mann
Bis 1956 55 Mann
1957 – 1963 17 – 20 Mann
Bisher wurde hauptsächlich auf die technische und wirtschaftliche Entwicklung gesprochen. Aber es darf auch nicht vergessen werden, dass zwischen Werk und Dorf eine enge Verbindung bestand. Fast aus jedem Haus gab es Menschen, die im Schacht arbeiteten. Das war auch durch Zuzug von Umsiedlern erfolgt. Später wurde noch ein Haus für die Bergarbeiter gebaut. (Grubenhaus hinter Backmanns). Als die Grube dann geschlossen wurde, zogen viele der Arbeiter mit ihren Familien nach Lucka bei Altenburg, wo sie weiter im Kohlenabbau beschäftigt waren.
Wie aber schon gesagt, die Zusammenarbeit und Unterstützung der Gemeinde war sehr gut. Besonders möchte ich hier den Betriebsleiter Herrn Herbert Wenk, den Obersteiger Beier (aus dessen Erzählungen ich viel für meinen Vortrag entnommen habe), Frau Marianne Dathe als Sekretärin und einige bekannte Leute noch nennen, wie z.B. Wolfgang Fleischer, Hans Günther und zwei Schlosser nämlich Herrn Richard Schröter und Herrn Pawlik, die leider bei ihrer Arbeit auch tödlich verunglückten.
Das Problem des Wassers im Dorf, das durch die Entwässerung in den meisten Brunnen versiegte. Das kehrte sich allerdings nach der Schließung des Werkes um, nun füllten sich die Brunnen wieder und das Wasser musste aus den Kellern abgepumpt werden. Da konnte man aus manchen Häusern die Schläuche aus den Kellerfenstern sehen. Es war ja unterdessen die neue Leitung aus Prösitz kommend vorhanden. Täglich musste das Wasser mehrmals in den Hochbehälter, neben der Grube gepumpt werden. Dafür war unser Klempnermeister Arno Wötzel verantwortlich. Wenn der Hochbehälter nicht genügend gefüllt war, floss das Wasser nur in das angeschlossene und tiefer gelegene Pöhsig und Ragewitz hatte kein Wasser. Aber eine andere für Ragewitz positive Sache aus der Zusammenarbeit möchte ich noch nennen: in den Jahren nach 1950 war die Energieversorgung im Lande noch nicht stabil. Es gab abends Sperrstunden, da durfte kein elektrischer Strom entnommen werden bzw. war er abgeschaltet. Das Werk hatte aber nun einen Generator für seinen eigenen Bedarf. Wenn die Sperrstunde kam, wurde das Dorf mit an den Generator angeschlossen und wir hatten Licht.
Nun noch etwas: nachdem die LPG das Betriebsgelände übernommen hatte, profitierte die Schule noch davon, indem der Produktionsunterricht in der Werkstatt bzw. die Küche als Schulküche genutzt werden konnte.
Nach der Freigabe der Bruchlöcher verblieb hinter dem Betriebsgelände eine Vertiefung in der sich Wasser sammelte. Darin tummelten sich die Enten und auch Kinder benutzten sie zum baden. Im Winter war es eine schöne Schlittschuhbahn.
Zu den Bruchlöchern während des Abbaus noch eine Episode: mit den Brüchen ging auch das Deckgebirge ab und es entstanden die sogenannten Bruchlöcher. Das Gebiet durfte nicht betreten werden und wurde abgesperrt. Also auch das Ackerland. Ein Bauer versuchte denn noch einmal noch ein Stück sein Feld zu pflügen und brach mit seinem Pflug und Pferden ein. Alle konnten gerettet werden.
Text verfasst durch Wolfgang Wittig
LVZ Bericht vom 16.03.2010
Brennstoff aus Mutzschen
Das “Weiße Ross“ ist bekannt für sein schmackhaftes Schnitzel. Beim Vortragsabend des Heimatvereins drehte sich diesmal aber vieles um Grilletten. Nein, gemeint sind nicht die DDR-Hamburger, jene gegrillten Buletten im Brötchen, sondern der einst in Mutzschen abgebaute und nach Firmenchef Max Grille benannte Torf.
Mutzschen. Während dieser vor 10 000 Jahren entstand, ist die Braunkohle mehrere Millionen Jahre alt. Auch sie war Thema des gut besuchten Heimatabends.
Nach seinen beiden Töchtern habe der Ragewitzer Gutsbesitzer Friedrich August Schippan damals zwei Braunkohle-Abbaugebiete benannt: Aline und Flora. Flora? Ein blumiger Name für eine finstere Grube, weiß Heimatfreund Wolfgang Wittig, einst Lehrer in Mutzschen: „Zwar trugen die Bergleute statt Helmen ausrangierte Ausgehhüte mit daran befestigter Lampe. Aber ein Sonntagsausflug war ihr fast zwölfstündiger Arbeitstag nicht gerade. Schicht im Schacht war nicht mal zum Mittagessen: „Das Kochgeschirr wurde über Hunte² in die Tiefe gelassen.“ Die bergbauliche Ausrüstung sei nicht die modernste gewesen, berichtet der 79-jährige Wittig. So gesehen habe es vergleichsweise wenige Unfälle gegeben. Und doch erinnert der Rentner an ein Unglück: „1902 brannte es in der Grube. Der Obersteiger wollte löschen. Da er giftige Gase einatmete und laut zu röcheln begann, eilte ihm der Mutzschener Hermann Ritter zu Hilfe. Vergebens. Am Ende starben beide.“
Der Bedarf an Kohle sei enorm gewesen, betont Wittig: „Pferdefuhrwerke transportierten den Brennstoff zu den Verbrauchern. 1929 sorgte ein besonders strenger Winter mit bis zu minus 32 Grad für eine noch größere Nachfrage. Die Tagebaue bei Leipzig waren eingefroren und so kamen auch großstädtische Kohlehändler nach Ragewitz.“ Durch den Krieg waren Leipzigs Abbaugebiete größtenteils beschädigt. Also steigerten die 68 Ragewitzer Beschäftigten ihre Produktion zwischen 1945 und 1946 von 20 000 auf rund 30 000 Tonnen pro Jahr.
Hier schließt der Wermsdorfer Chronist Eckart Säuberlich nahtlos an: „Die Kohleversorgung lag am Boden. Deshalb erließ die Sowjetische Militäradministration Befehle, wie zusätzliche Reserven erschlossen werden könnten. Unter anderem auch durch den Abbau von Torf.“ Größere Mengen vermutete man unter dem seit Mitte des 19. Jahrhunderts trocken gelegten und seitdem als Wiese genutzten Göttwitzsee. „Der Dahlener Unternehmer Max Grille führte eine Probegrabung durch und war begeistert. Nur drei Tage später bekam er den Zuschlag für den Abbau. Da sieht man mal, wie entscheidungsfreudig die Ämter damals waren“, witzelt Säuberlich. Anfangs diente der Torf als Brennmaterial, den Bauern aus der Umgebung selbst gewinnen mussten und zu Hause zu Ziegeln formten. Später wurde der Torf von Grille selbst abgebaut und zunehmend als Düngetorf zur Bodenverbesserung verkauft. Der gewiefte Tüftler habe schon bald eine eigene Torfpresse konstruiert. Seine Grilletten wurden auch überregional zum Renner. „1948 schaltete er im Neuen Deutschland eine Anzeige, in der er seine Ware anpries.“ Grille beschäftigte bis zu neun Leute. „Die brauchten gewiss kein Fitnessstudio. Die Arbeit war hart. Die Männer standen anderthalb Meter unter Niveau und beluden die Loren über Kopf.“ Da sich der Torf auch zur Behandlung von Rheuma eignete, habe es zwischenzeitlich gar Überlegungen gegeben, ein Kurbad einzurichten.
Die wirtschaftliche Situation in der DDR entspannte sich. Der Torf-Absatz ging zurück. Ente gut, alles gut. Säuberlich: „1959 beschloss die SED-Bezirksleitung, den Göttwitzsee wieder anzustauen und ein Entenkombinat anzusiedeln. Dem entschädigten Unternehmer Grille kam das sogar entgegen: Nun brauchte er seine Abbaufelder nicht mehr aufwändig für die Landwirtschaft herzurichten.
Haig Latchinian
@ LVZ Online vom 16.03.2010
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Bilderquellen:
Chronologisch nach Verwendung
Ansicht auf Ragewitz: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/alteansichtragewitz.jpg
Blick vom Schachtgebäude der Grube Flora auf den Ort 1956 zur Verfügung gestellt durch Herrn Peter Pawlik
Das Grab der Familie Schippan auf dem Friedhof in Ragewitz: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/grab_schippan7.jpg
Hauptbraunkohlenflöz und Obere Sande und Tone (Cligozän) unter Geschiebelehm und Löß: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72044975/df_bika075_0001025_motiv
Kohlenwerk: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/ragewitz3.jpg
Braunkohlewerk: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005769
Ziegelei: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/ziegelei21.jpg
Gruppenbild der Belegschaft der alten Ziegelei um das Jahr 1910: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/ziegelei1.jpg
Strangpresse für Presssteine: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70007907/df_hauptkatalog_0057891
Braunkohleziegelherstellung: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005771/df_hauptkatalog_0057892
Trockenschuppen für Presssteine: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70006059/df_hauptkatalog_0057889
1934 wurden die Gebäude der Ziegelei abgerissen: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/ziegelei4.jpg
Volkstumskunde: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70005771
Bergbauplan zur Verfügung gestellt durch Herrn Wolfgang Wittig
Ansichtskarte Ragewitz von 1919: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.akpool.de/ansichtskarten/73403-ansichtskarte-postkarte-ragewitz-b-mutzschen-braunkohlenwerk-gasthof
Adressbuch von Grimma Jahrgang 1939: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.poehsig.de/bilderpoehsig/anzeige_4.jpg
Bilder von Ragewitz zur Verfügung gestellt durch Herrn Wolfgang Wittig
LVZ Bericht vom 16.03.2010: (Abfragedatum 23.03.2016) http://www.lvz.de/Region/Grimma/Brennstoff-aus-Mutzschen