Die Geschichte der Sage von der Schönen Magd in der Neuzeit
Die Rettung des Sandsteinreliefs
Ende 60-ziger, Anfang der 70-ziger Jahre rollte eine Abrisswelle über Sachsens Dörfer. Alle nicht mehr in der Landwirtschaft gebrauchten Gebäude wurden brutal abgerissen. So kam es auch, dass ein Seitengebäude des ehemaligen Naumannschen Vierseitenhofes an der Reihe war. In diesem Gebäude war im Obergeschoß das Sandsteinrelief der „Schönen Magd“ eingebaut. Mit Hilfe meiner Jugendfreunde bauten wir das Relief aus und lagerten es in meinem elterlichen Grundstück ein. Niemand sonst interessierte sich um diesen Stein. In den 1980 Jahren wandte sich der damalige LPG Vorsitzende Gerhard Feist an mich, mit der Frage, ob ich dieses Sandsteinrelief noch besäße. Wenn ja, brauche er es als Werbeträger für sein Lieblingsprojekt – den ehemaligen Pöhsiger Gasthof. Dieser wurde von der LPG als kulturelles Zentrum ausgebaut. Er meinte, das Steinbild sei Volkseigentum und ich müsse es aushändigen. Dazu kam es nicht, da die politische Wende dem Spuk ein Ende setzte. Nun interessierten sich alle möglichen Leute für das Bild. Unter anderem auch der damalige Pfarrer von Mutzschen Herr Recknagel. Nach einigen Recherchen und intensiver Betrachtung meinte er, eine Heilige zu sehen. Damit das Relief nicht noch Beine bekam, lies ich es kurzer Hand in meinem Wohnhaus ins Treppenhaus einsetzen. Eine originalgetreue Kopie ist, wie einst im Naumannschen Gut, am Seitengebäude im ehemaligen Dreiseitenhof der Fam. Neustadt zu sehen.
Theaterstück zur 650 Jahrfeier
Als im Jahr 2000 die Pöhsiger Bürger ihre Jahrfeier vorbereiteten, war das Thema „Schöne Magd“ ein sehr Wichtiges. Im 19. Jahrhundert schrieb ein literaturbegabter Pöhsiger – ein gewisser Herr Hahmann , der wegen eines Versicherungsbetruges im Gefängnis saß und viel Zeit hatte, einen Roman und ein Theaterstück über die Geschichte der „Schönen Magd“. Dieses Theaterstück wurde dann von Pöhsiger Bürgern einstudiert und zum Tag der Feier mit viel Freude aufgeführt.
Die Namesgebung der Hauptstraße in Pöhsig
Als die Gemeinde Thümmlitzwalde, also auch der Ort Pöhsig nach Grimma eingemeindet werden sollte, musste auch unsere Hauptstraße umbenannt werden. Der damalige Ortschaftsrat schlug „Pöhsiger Dorfstraße“ vor. Dieser Name erschien uns ziemlich einfallslos und unpersönlich. Wir, das sind engagierte Pöhsiger und zum Teil die Jugendfreunde, die mir bei der Rettungsaktion „Sandsteinrelief“ behilflich waren. Es sollte ein Name sein mit Bezug zum Ort.
Nach mehreren Vorschlägen entschieden wir uns für den Namen der Schönen Magd aus dem Roman des Herrn Hahmann. Um dieses Vorhaben umzusetzen, bedurfte es die Zustimmung der Anwohner.
Nach einer Unterschriftensammlung, der alle Bürger zustimmten, heißt diese Straße nun „Bertha von Kattonitz Straße“.
Die Errichtung einer Porphyrsäule auf dem Dorfplatz
In der Zeit der Eingemeindung von Pöhsig nach Grimma.
Um den Ausverkauf des Dorfplatzes in Pöhsig zu stoppen, entwarf der Heimatverein einen Vorschlag zur Gestaltung und zukünftigen Nutzung dieses Platzes. Dabei war in der Mitte ein Findling vorgesehen. Nach mehrjährigem Kampf gelang es der Stadt Grimma die entsprechenden Fördermittel frei zu lenken. Bei der Umsetzung griffen Mitglieder des Heimatvereins einen alten Vorschlag auf, den der Pöhsiger Bürger Herbert Pohle in den 1970er Jahren vorbrachte, einen Gedenkstein der „Schönen Magd“ aufzustellen. So wurde aus dem Findling eine Porphyrsäule mit einer Inschrift und dem Relief der Schönen Magd.
Fazit
Die Ironie der Geschichte. Vor zirka 5 Jahren erschien Pöhsig, wie so viele Orte, als sterbendes Dorf. Die Einwohnerzahl sank unter 200. Und dann geschah das Wunder. Es siedelten sich junge Familien im Ort an. Sie kauften leer stehende Grundstücke und richteten sich dauerhaft ein. Die jungen Leute haben alle in irgendeiner Weise einen Bezug zum Ort, sie sind also keine Fremden. Mittlerweile haben die jungen Familien ein oder mehrere Kinder, Tendenz steigend – so dass wir die 200 Mann-Marke wieder überschritten haben. Ein Heimatverein, in dem viele der jungen Leute aktiv sind, sorgt für Zusammenhalt. Vielleicht hatte der ehemalige Mutzschener Pfarrer Recknagel doch recht und die schöne Magd war eine Heilige und hat zu dem Wunder von Pöhsig beigetragen.
Die Sage der Schönen Magd zu Pöhsig
In Grauer Vorzeit soll in Pöhsig eine schöne Magd gelebt haben, so erzählten sich die Fuhrleute, die im Gasthof einkehrten und die Einwohner von Pöhsig. Diese Person habe den Ort Pöhsig vor der Zerstörung durch Kriegsvolk bewahrt. Als Dank und zu Ehren der mutigen Tat gaben die Pöhsiger Bauern ein Sandsteinrelief in Auftrag. Dieser Stein wurde im 17. Jahrhundert erneuert und ist heute noch in Pöhsig zu bewundern. Auch hieß der Ort im Mittelalter eine Zeit lang „Dorf Schöne Magd“. Das Thema griff man dann im 19. Jahrhundert wieder auf und dichtete mit viel Fantasie neue Dinge hinzu und benutzte die Sage für den Gasthof als Werbemittel.
Pöhsig, den 11.10.2015
Bernd Aurig